Das Bild
als Bühne
Stephan Berg





Volo Bevzas Bilder sind gewalttätig und subtil zugleich. Die Leinwand ist für ihn kein Ort, an dem sich alles zu einer harmonischen, prästabilisierten Ordnung zusammenfügt, sie ist eine Zone, in der unterschiedlichste Energien aufeinanderstoßen und um die Vorherrschaft ringen. In der Renaissance hatte das gemalte Bild die Funktion eines Fensters in eine idealere Wirklichkeit: Es sollte die Realität zeigen, aber gewissermaßen in einer optimierten, gereinigten Form. Dieser Anspruch an die Malerei hat sich in unserem Sprachgebrauch erhalten, wenn wir etwas „bildschön“ finden: Das Bild als Versprechen, die Realität in der Malerei neu und besser (wieder)erfinden zu können. Das ist lange her. Heute steht das gemalte Bild vor der Herausforderung, sich nicht nur gegen die Konkurrenz der technischen Bilder in der Fotografie, dem Film, oder den unendlichen Bilduniversen des Internets zu behaupten. Es muss sich vielmehr auch mit den rapide wachsenden Möglichkeiten der Künstlichen In- telligenz (KI) auseinandersetzen, die auf breiter Front beginnt, dem Menschen das Feld der künstlerischen Kreativität streitig zu machen, und damit den letzten Bereich, in dem wir uns noch der maschinellen Intelligenz überlegen fühlen durften.


Volo Bevza, in der Ukraine geboren und in Berlin lebend nimmt diese Herausforderung an, indem er beide Welten - den Geist aus der Maschine und den der malenden Hand - direkt auf der Leinwand miteinander agieren lässt. Ausgangspunkt seiner Malerei sind Fotografien, mit denen er aus KI-gesteuer- ten Computerprogrammen 3D-Modelle, erstellt. Diese werden dann in anderen Programmen weiterverarbeitet, verfremdet und schließlich als UV-Drucke auf die Leinwand übertragen. Auf diese Leinwanddrucke reagiert der Künstler mit einer abstrakt-gestischen Acrylmalerei, die furios das digitale Substrat überlagert und neu interpretiert. Wir stehen also vor einem doppelten Trans- formationsprozess: Die zweidimensional im Foto gespeicherte Realität wird in eine dreidimensionale, digitale Wirklichkeit übersetzt, und dann als zweidimen- sionaler Druck auf die Leinwand transferiert, auf der sie sich in ein analoges Gemälde verwandelt. Interessanterweise erscheint dabei die Malerei plötzlich ähnlich virtuell, wie die den 3D-Modellen zugrundeliegenden UV-Drucke. Bevzas Bilder sind so gesehen Hybride, die deutlich machen, wie sehr wir uns schon daran gewöhnt haben, alles in unserer Wirklichkeit nur mehr aus der Perspektive seiner möglichen Künstlichkeit zu begreifen.

Von zentraler Wichtigkeit in diesem Vexierspiel zwischen wirklichen und künstlichen Räumen sind die Fotovorlagen, mit denen der Künstler arbeitet. Sie sind während seines kurzen Aufenthalts in Kiew im April 2022 entstanden, und zeigen einen, mitten in der Hauptstadt befindlichen, und durch russische Bombardierung fast vollständig zerstörten Gebäudekomplex. So gesehen
sind diese Bilder auch ein Stück weit eine Trauerarbeit des Künstlers: Die in Trümmern liegende Heimat wird im 3D-Modell erst virtualisiert und dann auf der Leinwand durch die Attacken des Pinsels ein weiteres Mal transformiert. Erst diese mehrfach transformierte Abbildung des Kriegsgrauens schafft für Volo Bevza die Möglichkeit sich ihr malerisch zu nähern.

Er tut dies, indem er seine Leinwände wie Bühnenräume anlegt. Dabei geht er so suggestiv vor, dass wir als Betrachter unwillkürlich in diese instabilen Welten hineingezogen werden. In ihnen erzeugen energetische Malbewegungen Farbfetzen in schrundigem Grauweiß, tintigem Schwarz und gelegentlich aufblitzenden schwefligem Gelb und luzidem Blau, welche die fotografisch-virtuellen Räume überlagern, akzentuieren und kommentieren. So wie Volo Bevza hier vorgeht, mit einer malerischen Wucht und Unbedingtheit, die das Grauen, das ihr zugrunde liegt spürbar macht, und zugleich mit einer Präzision und Delikatesse, in der jedes Detail genau an der richtigen Stelle sitzt, kann man nicht anders als sich diesen Bildern ganz und gar ausliefern, um dann zu begreifen, dass die Malerei nach wie vor als Medium in der Lage ist, etwas Gültiges über unsere Welt zu sagen.

2023
Prof. Dr. Stephan Berg, Intendant Kunstmuseum Bonn






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